Heft 21 – Blutland

Das Baltikum – Land vieler Völker. Aus dem Dunkel der Geschichte treten die Stämme der Lettgallen, Semgallen, Selen, Kuren, Liven, Esten hervor. Wikinger, Deutsche, Dänen, Schweden, Russen – sie sieht das baltische Land in späteren Jahrhunderten ihr Blut dort lassen, als Eroberer, Kreuzritter, Siedler.
Es sind die Deutschen, die dem Land den Stempel ihrer Kultur aufdrücken. Als Ordensritter, Geistliche, Städtebauer kommen sie ins Baltenland und behaupten sich 700 Jahre lang als Minderheit und Führungsschicht in fremdem Volkstum. Deutsches Recht, deutsche Ordnung, deutsche Leistung formen das Gesicht des Landes, seiner Felder und Fluren, mit Ordensburgen, Herrenhäusern, Gutshöfen, Kirchen. Deutsch sprechen die Steine aller Städte des Baltenlandes – ihre erste ist Riga, Perle des Baltikums und alte Hansestadt von echt niederdeutschem Gepräge mit ihren backsteinernen Mauern, Türmen und Bürgerhäusern.
Als im 18. Jahrhundert das Baltikum unter die Zarenherrschaft fällt, behaupten die Deutschbalten ihre althergebrachten Rechte. Sie stellen in Folge zahlreiche russische Minister, Staatsmänner, Beamte, Militärführer und Wissenschaftler. Doch die Deutschbalten sind seit Ende des 19. Jahrhundert einem immer stärkeren Russifizierungdruck ausgesetzt – und sehen sich außerdem von den neuen Nationalbestrebungen der Letten und Esten bedrängt, deren Landbevölkerung mehr und mehr die baltischen Städte unterwandert.
Im Ersten Weltkrieg besetzt das deutsche Heer das alte Baltenland. Und es steht dort, als in Rußland 1917 die Kommunisten nach der Macht greifen und das Reich im Osten im Bürgerkrieg versinkt. Sowjet-Rußland schließt Anfang 1918 einen Frieden mit Deutschland und verzichtet auf die baltischen Provinzen. Deutschland bleibt als Schutzmacht dort stehen.
November 1918: Revolution in Deutschland. Das Heer beginnt sich auf­zulösen. Moskau wittert die Stunde. Sowjet-Rußland überfällt das Baltikum. Die Rote Armee überrennt Estland und fast ganz Lettland. Im Januar 1919 halten deutsche Truppen zuletzt am Windau-Fluß gegen die Rote Armee.
Aus Deutschland strömen Freiwillige zum Kampf in das Baltikum. Die deutschen Truppen wachsen zur „Eisernen Division“. In der „Baltischen Landeswehr“ rüsten die Deutschbalten zum Kampf – Gutsbesitzer, Kaufleute, Handwerker, Lehrer, Schüler werden Soldaten – bereit, aufs neue Blut zu lassen für das Sein oder Nichtsein ihrer Welt. Anti-kommunistische Russen und ­National-Letten treten an die Seite der Deutschen. Der Feldzug beginnt.
Der erste Kampfabschnitt gipfelt im Großangriff auf Riga im Mai 1919. Nach dramatischen Stunden fällt die Entscheidung um die Baltikum-Metropole. Aber neue Fronten entstehen. Die Gegensätze zu Letten und Esten reißen auf. England mischt sich ein. Und die große Politik wird über die deutschen Freiwilligen und die Deutschbalten, ihren Kampf, ihre Opfer und ihre Zukunft, hinwegschreiten…
Die folgenden Seiten erzählen die Geschichte von Udo Gylpalm. Die Familie des jungen Deutschbalten lebt in Riga, als die Rote Armee über das Land hereinbricht. Der junge Mann meldet sich zur Baltischen Landeswehr, am Tag darauf fällt die Stadt. Und Udo Gylpalm ist unter denen, die in den Kampf ziehen, um ihre Heimat und ihre Familien zu befreien…