Mit den Worten „Karneval des Wahnsinns“ beschrieb Reichswehrminister Gustav Noske die chaotische Situation Münchens im Frühjahr 1919. Dieser Höhepunkt einer Verkettung politischer (Fehl-)Entscheidungen von Funktionären und Revolutionären nimmt nach dem Ersten Weltkrieg seinen Anfang. In Deutschland gärt es nach vier Jahren Weltkrieg. In Bayern genügt eine kleine Gruppe linker Oppositioneller, um die Dynastie der Wittelsbacher vom Thron zu jagen. Am 8. November 1918 ruft Kurt Eisner in München die Republik aus. Ein wackliges Konstrukt: Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten wechseln sich an der Macht ab.
Die politischen Unruhen spitzen sich zu, als im Februar 1919 Eisner niedergeschossen wird. Sein Nachfolger, der Mehrheitssozialdemokrat Johannes Hoffmann, vermag keine klare Position zu beziehen, ob Bayern als parlamentarische Demokratie oder als Rätesystem geführt werden soll. Die Entscheidung fällt im April 1919, als radikale Linke eine Räterepublik ausrufen. Hoffmann muß aus München fliehen. Allerdings wollen sich die Kommunisten an dieser selbsternannten Regierung nicht beteiligen.
Nur Tage später, am 13. April, rüsten sich Anhänger des Ministerpräsidenten zum Kampf und führen in München einen Schlag gegen die Räterepublik. Der „Palmsonntagsputsch“ scheitert. Nach blutigen Gefechten wird in München die zweite, kommunistische Räterepublik ausgerufen. Eine rote Armee wird aufgestellt und das Bürgertum entwaffnet. Es kommt zu Festnahmen politischer Gegner bis hin zu Liquidierungen. Diese blutige Phase entwickelt sich zu einem Bürgerkrieg. Hoffmanns Parteifreund Noske entsendet umgehend Reichswehrverbände und Freikorps. Insgesamt 35.000 Mann bewegen sich auf München zu…
Mehr als 1.000 Kilometer entfernt, im Baltikum, drängen die Ereignisse zur gleichen Zeit ebenfalls zur Entscheidung. Seit dem Krieg stehen die deutschen Heere tief im Osten. Weite Teile der Westprovinzen des Russischen Reiches bleiben deutsch besetzt, als 1917 die Kommunisten die Macht in Rußland ergreifen. Nach dem Umsturz in Deutschland im November 1918 und dem Kriegsende im Westen beginnt Berlin, seine Truppen aus dem Osten abzuziehen. Sofort drängt Sowjet-Rußland nach: Die Rote Armee fällt im Baltikum ein. Sie erobert im Januar 1919 Riga, Wilna, Mitau und steht dann am Fluß Windau, wo die ausgedünnten deutschen Truppen Front halten (siehe Karte S. 35). In Deutschland werden jetzt Freiwillige für den Kampf im Osten angeworben.
Ein Krieg mit vielen Fronten: Die aus den russischen Westprovinzen neuentstandenen baltischen Staaten versuchen die Rote Armee zurückzudrängen. Mit ihnen kämpfen die alteingesessenen Deutschbalten und reichsdeutsche Verbände gegen die Sowjet-Russen, die wiederum in einheimischen Kommunisten Unterstützer finden. Es dauert nicht lange, bis bei den Verbündeten gegen die Rote Armee die Gegensätze aufbrechen…